Berliner Restrukturierungsforum: Erstellung von Sanierungsgutachten als „gefahrgeneigte Arbeit“

Berlin, 10. Juli 2017. Bei seiner zehnten Veranstaltung beschäftigte sich das Berliner Restrukturierungsforum mit dem praktischen Thema „Praxisfragen rund um die Erstellung von Sanierungskonzepten“. Etwa 110 Gäste verfolgten die spannende Diskussion rund um den Sanierungsstandard IDW S 6 des Instituts der Wirtschaftsprüfer. Die Streitfrage des Abends: Werden Sanierungskonzepte lediglich für die Richter erstellt, für den Fall, dass eine Sanierung schief geht, um sich vor rechtlichen Risiken zu schützen. Oder haben sie eine eher betriebswirtschaftliche Aufgabe und bilden den Sanierungsfahrplan und den Weg nach vorn ab.

Eröffnet wurde der Abend mit einem Impulsvortrag von Bernhard Steffan (Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Partner, Ebner Stolz), der sich als Vorsitzender des Fachausschusses für Sanierung und Insolvenz (FAS) beim Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) täglich mit Sanierungsgutachten beschäftigt. Gleich zu Beginn stellte er klar, dass der IDW S 6 einen Leitfaden zur Erstellung von Sanierungskonzepten liefert und dem Ersteller bei ordnungsgemäßer Anwendung die Sicherheit gibt, die BGH-Anforderungen zu erfüllen. Jedoch sei es keine Anleitung zu einer „Sanierung leicht gemacht“. Steffan stellte den Gästen noch einmal sowohl die älteren als auch die aktuellen Rechtsprechungsgrundsätze zu Sanierungskonzepten und -gutachten vor und zeigte dabei auf, dass der IDW S 6 beide abdeckt und diese betriebswirtschaftlich konkretisiert. Der Wirtschaftsprüfer machte in seinem Vortrag deutlich, dass jedes Sanierungskonzept die Kernanforderungen des BGH erfüllen müsse. Dazu zählen u. a. Basisinformationen zum Unternehmen, die Analyse von Krisenstadium und -ursachen, das Leitbild des sanierten Unternehmens, Maßnahmen zur Bewältigung der Krise und eine integrierte Sanierungsplanung. Die Aussage zur Sanierungsfähigkeit sei nur möglich, wenn alle Bestandteile bearbeitet würden. „Die Kunst bestehe jedoch darin, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Das sei besonders bei kleinen Unternehmen relevant“, erklärte Steffan.

In der Podiumsdiskussion – moderiert von Dr. Gunnar Gerig (Wirtschaftsprüfer und Executive Director, EY Restructuring) und Dr. Kirsten Schümann-Kleber (Rechtsanwältin und Partnerin, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB) – erklärte Beate Doering (stellvertretende Abteilungsdirektorin, Kredit Restrukturierung, DZ BANK AG), dass sie nicht auf die Kernanforderungen der Rechtsprechung verzichten könne und wolle. Jedoch forderte die Bankerin, dass die Sanierungskonzepte kompakter sein müssten, was Aufgabe des Beraters sei. Riaz K. Janjuah (Rechtsanwalt und Partner, White & Case LLP) sah das anders: „Bei einer guten Dokumentation fällt es leichter, die Schlüssigkeit nachzuvollziehen.“ Wenn das Konzept zu kurzgefasst würde und zu wenig dokumentiert werde, dann würde es im Nachhinein schwerfallen, die Sanierungsfähigkeit – insbesondere die überwiegende Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Annahmen – zu beurteilen.

Dem widersprach Prof. Rolf Rattunde (Rechtsanwalt und Partner, LEONHARDT RATTUNDE Rechtsanwälte) vehement. Aus seiner Sicht leide die Beantwortung der Wahrscheinlichkeitsfrage darunter, wenn ein Konzept zu umfangreich werde. Man solle das Sanierungskonzept lieber einfach und übersichtlich halten. „Je mehr Prämissen und Kausalzusammenhänge existieren, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit, dass eine sich nicht erfüllt und alles andere damit in sich zusammenfällt.“ Seine klare Empfehlung: „Zur Klagevermeidung sind einfache Konzepte besser“.

Was den Umfang betrifft, gab Steffan den Anwesenden insbesondere für Sanierungskonzepte kleinerer Unternehmen die Empfehlung, bestimmte Kapitel wie beispielsweise die Historie zu beschränken und mit Schaubildern zu arbeiten, um so z. B. Themen wie Krisenursachen und Krisenstadium nur auf einer Seite darstellen zu können. Jedoch, das gab er zu bedenken, hänge der Umfang auch von der Risikobereitschaft jedes Konzepterstellers ab. Den einen Königsweg gebe es nicht. Inhalt und Umfang des Sanierungskonzeptes gemäß IDW S 6 müssten immer der konkreten Situation des Krisenunternehmens und den relevanten Problemfeldern angepasst werden. Auch Doering befürwortete es, Sanierungskonzepte bei kleinen Unternehmen kürzer zu fassen. Jedoch sollte dies nur den Umfang betreffen und nicht die entscheidenden Aussagen. „Denn es muss ein IDW S 6 sein und eben nicht nur der Name draufstehen“, so Doering.

Im Laufe des Abends entbrannte eine angeregte Diskussion. Prof. Rattunde zeigte sich überzeugt davon, dass in Zukunft Insolvenzverwalter gescheiterte Konzepte noch stärker unter die Lupe nehmen würden. Diese Entwicklung und vor allem die Rolle der Insolvenzverwalter als Anfechter von Sanierungsgutachten im Falle von schiefgegangenen Sanierungen sei etwas, was sich die Insolvenzverwalter per se nicht gewünscht oder hervorgerufen hätten, betonte der Rechtsanwalt. Vielmehr seien die Verwalter verpflichtet, alle möglichen Ansprüche zu prüfen. Sein Rat an die Beraterzunft: „Man muss vorsichtig sein und im Zweifel ein Konzept eben auch mal nicht machen.“ Entscheidend wäre für ihn der Punkt, wie überzeugend ein Konzept ist und nicht wie detailliert es ausgearbeitet wurde. Das träfe aus seiner Sicht eher auf die einfachen Konzepte zu. „Wir brauchen ein Konzept nur für den Fall, dass die Sanierung schiefgeht. Also wird es eigentlich für den Richter erstellt“, war Rattunde überzeugt. Doering widersprach dem vehement: Aus ihrer Sicht müsste ein Sanierungskonzept betriebswirtschaftliche Komponenten erfüllen. Für das Unternehmen wäre das Konzept wichtig, denn es würde so einen Sanierungsfahrplan vorgegeben und die Sanierung positiv nach vorn angegangen. Janjuah nahm die Vermittlerposition zwischen beiden Referenten ein: Einerseits würden die Konzepte vor rechtlichen Risiken schützen, dabei müssten Prosa und Annahmen vernünftig begründet werden; je klarer und plakativer die Aussagen getätigt würden, desto unstrittiger. Andererseits sah er das Konzept aber auch als Fahrplan, eine Art Abbild einer Einigung mit den Stakeholdern. Steffan sah in erster Linie die betriebswirtschaftliche Aufgabe der Sanierungskonzepte. Jedoch müsse man als Berater die Konzepte so anfechtungssicher wie möglich machen. Sein Fazit: „Die Erstellung von Sanierungsgutachten ist zu einer gefahrgeneigten Arbeit geworden.“

Das Berliner Restrukturierungsforum begrüßte bei seiner zehnten Veranstaltung rund 110 Experten der Sanierungsbranche. Das Berliner Restrukturierungsforum ist eine Plattform für Experten der Branche und wird von Ernst & Young GmbH, GÖRG Rechtsanwälte Partnerschaft mbB und hww hermann wienberg wilhelm veranstaltet. Es bringt zwei Mal pro Jahr alle an der Sanierung eines Unternehmens Beteiligten zusammen. Hochrangige Gäste stellen aus verschiedenen Blickwinkeln ein aktuelles Thema vor und teilen ihr Expertenwissen mit den Gästen in der Diskussion. Mehr unter: www.berliner-restrukturierungsforum.de. Die nächste Veranstaltung findet im Herbst 2017 statt.